Text A: East Side Gallery Berlin
Tausende demonstrieren gegen Mauerabriss (1): Mit Plakaten und Parolen haben rund 6000 Menschen gegen den Abriss von Mauerteilen der weltbekannten Berliner East Side Gallery demonstriert. Berlin - Sie ist der längste noch erhaltene Abschnitt der Berliner Mauer: Rund 6000 Menschen haben sich am Sonntag für den Erhalt der weltweit bekannten East Side Gallery stark gemacht. Trotz der unerwarteten Menschenmassen sei der Protest völlig friedlich und entspannt abgelaufen, so eine Sprecherin der Polizei. Bei Sonnenschein wurde auf einer Bühne neben dem bemalten Mauerabschnitt Musik gespielt, Teilnehmer hielten Reden. Auch wurde zu einer Mahnwache (2) aufgerufen – die Galerie soll zukünftig bewacht werden. Den Plänen nach soll auf dem betroffenen Gelände ein Hochhaus mit Luxuswohnungen errichtet werden.
Auch Prominente wie der Schauspieler Ben Becker und der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele protestierten mit an der Spree. „Ist Kultur denn jarnischt (3) mehr wert?!“ stand auf einem der Plakate von Demonstranten.
Kinder hielten Plakate, auf denen stand: „Welche Mauer?“. Sterile Museen hätten niemals den gleichen Effekt wie ein Spaziergang an der echten Mauer, so einige Demonstranten. Der von Künstlern bemalte Betonwall wird in fast allen Berlin Reiseführern als historische Sehenswürdigkeit gewürdigt. Die Empörung (4) über die neuerliche Lücke in dem geschichtsträchtigen Bauwerk ist riesig – weit über die Grenzen der Hauptstadt hinaus.
Nach : Spiegel-Online, 4.03.2013
Text B:First Lady in BerlinW
ährend ihr Ehemann über Weltpolitik verhandelt, absolviert First Lady Michelle Obama das „Damenprogramm“. Mit den Töchtern Malia und Sasha ging es auf eine historische Tour der Erinnerung durch Berlin. Sachkundiger Begleiter: Merkels Mann Joachim Sauer. Am Mittwoch besuchten die First Lady und Töchter Malia und Sasha die Gedenkstätte Berliner Mauer, ein konservierter Mauerabschnitt entlang des ehemaligen Grenzstreifens zwischen Ost-und Westberlin. Während sich US-Präsident Barack Obama mit Joachim Gauck und Angela Merkel traf, gingen Frau und Kinder, seine Halbschwester Auma Obama und Kanzlerin-Gatte Joachim Sauer auf Sightseeing-Tour in der Stadt. Am Morgen besuchte die Gruppe das Holocaust-Mahnmal, dann den früheren Grenzübergang Checkpoint Charlie. Mittags waren sie an der Mauer, später im Reichstag, am Abend sieht man sich zum Dinner im Schloss Charlottenburg wieder. Der Gedenkstättendirektor hat eine Fotomappe mit historischen Mauerbildern vorbereitet, auf dem Aussichtsturm zeigt er sie der Präsidentenfamilie. Die First Lady nickt und stellt interessierte Nachfragen, heißt es später. 30 Ein Pastor führt First Lady und Begleitung ins eigentliche Gelände, 200 Meter Mauer sind hier zu sehen. Herumstromernde Schulklassen wurden weggeschickt, der Bereich um die Gedenkstätte in dieser schmucklosen (5) Gegend Berlins abgesperrt. Joachim Sauer bleibt nah bei seinen Gästen, er scherzt mit Auma Obama, meist lächelt er höflich, zuweilen wirkt er etwas unsicher. Als die Gruppe gelbe und rote Rosen durch die Spalten der sogenannten Hinterlandmauer (6) stecken soll – ein symbolisches Ritual in Gedenken an die Mauertoten – rutscht ihm heraus: „Hoffentlich mach‘ ich das richtig.“ Ein paar Minuten später zeigt der Professor der First Lady lächelnd, wie man die Rosen richtig platziert. Eine in die obere Spalte, eine in die untere. Als sich der Tross (7) in Bewegung setzt, bleiben Sasha und Malia noch etwas stehen und blicken durch die Mauerspalten auf den früheren Todesstreifen. Auf dem Weg zur Limousine plaudert Sauer mit der ältesten Tochter Malia. Worüber, ist nicht zu verstehen, aber sie nickt und lacht. Die Kommunikation ist anscheinend geglückt.
Nach: Annett Meiritz, Spiegel-Online, 19.06.2013
- (1) der Abriss: la démolition
- (2) die Mahnwache: la commémoration silencieuse
- (3) jarnischt = gar nicht
- (4) die Empörung: l’indignation
- (5) schmucklos: simple, sans charme
- (6) die Hinterlandmauer: le mur intérieur qui doublait le Mur de Berlin côté est
- (7) der Tross: le groupe, le cortège